Deutschland, der Islam und der Horst

Lieber Horst Seehofer

das ging schnell: Noch keine zwei Tage im Amt, schon schaffen Sie es auf Seite 1 der Bildzeitung mit einem Zitat, das viele CSU-Wähler, aber noch viel mehr AfD-Wähler freuen wird: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland!“ Bäm! Da isser, unser neuer Heimathorst, gleich mal einen vorgelegt, einem früheren Bundespräsidenten widersprochen und gleichzeitig den Millionen in Deutschland lebenden Muslimen eine vor den Latz geknallt. SO geht Heimat! Beziehungsweise… nicht.

Ja ja, ich weiß, einen Absatz weiter sagen Sie, dass Ihnen ein Dialog mit den Muslimen in Deutschland wichtig ist, dass Muslime mit uns und nicht neben oder gegen uns leben müssten. Tja. Da kann man kaum widersprechen. Ich fürchte nur, dass das kein Mensch lesen wird. Und das wissen Sie als alter Politprofi natürlich: Die meisten Menschen lesen Schlagzeilen, mehr nicht. Und in die Schlagzeilen haben Sie es mit dieser verbalen Grütz-Granate geschafft, nicht nur bei der BILD, sondern auch auf die Internetseiten der Welt, des Focus, des Spiegels und der FAZ. Glückwunsch, Herr Seehofer. Nur: falls es Ihnen wirklich darum geht, einen Dialog mit Muslimen herzustellen, war das wahrscheinlich das dümmste Eigentor, das Sie jemals geschossen haben (Und wir wissen beide: Da ist die Auswahl groß!).

Stellen Sie sich doch nur mal eine Sekunde vor, Sie gehen an einem Zeitungsstand vorbei und sehen auf der BILD einen älteren Herrn mit dem markigen Spruch: „Bayern gehört nicht zu Deutschland!“. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich in dem Moment denken: „Oh, vielschichtige These, mit dem Herrn möchte ich mich unbedingt zusammensetzen und an einem friedlichen Zusammenleben arbeiten?“. Na eben. Ganz ehrlich: Ich könnte heute jeden Muslim verstehen, der seit Jahren in Deutschland lebt, sich als Deutscher fühlt, völlig friedlich seinen Glauben praktiziert und dann heute am Zeitungsstand vorbeiläuft und sich denkt: „Ach leckt mich doch alle!“ (Gleichzeitig rufe ich alle Muslime in Deutschland auf, genau das nicht zu tun. Ernsthaft! Wir sind nicht alle so! #jenesuispashorst !)

Ich fürchte aber, der Spruch ist gar kein Eigentor, sondern eine ganz bewusste Provokation. Denn eigentlich interessiert Sie die der Dialog mit Muslimen nicht. Zumindest nicht so sehr wie das Wahlergebnis bei der nächsten bayerischen Landtagswahl. Das kann man sehr gut daran erkennen, dass der Satz mit dem Islam ja auch noch auf ihrer Facebook-Startseite prangt, zusammen mit dem noch nie irgend einen Sinn ergebenden Zusatz: „Wir dürfen nicht aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben“. Denn vermutlich implizieren auch Sie damit, wie Ihr königlich bayerischer Doofheiten-Lieferant Dobrindt, die Mär von den „Weihnachtsmärkten, die jetzt Wintermärkte heißen müssen“ und ähnliche AfD-Klassiker. Mein Gott, schauen Sie sich doch mal nur in Bayern um: überall Kirchen und Kapellen, christliche Feiertage noch und nöcher, jeden Tag zwei Prozessionen, und im Ofen schmurgelt die Schweinshaxe. Wieviel Tradition und Gebräuch‘ darf‘s denn noch sein?

Ich bin kein religiöser Mensch. Ich bin der festen Überzeugung, die Welt wäre ein besserer Ort ohne Religionen und mit mehr Menschlichkeit. Und gerade mit dem Islam habe ich mehr als ein tiefgreifendes Problem. Ich bin aber ein Fan des Grundgesetzes. Und der darin garantierten Religionsfreiheit. Nur noch mal zur Sicherheit (denn ich habe immer wieder das Gefühl, dass gerade CSUler Artikel 4 gerne vergessen), da steht: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Da steht nicht: „Deutschland ist ein christliches Land, alle anderen Religionen sind minderwertig.“

Sie sagen ebenfalls in dem Interview, dass Sie es als Ihre wichtigste Aufgabe erachten, Deutschland wieder zu einen. Das ist entweder eine dreiste Lüge, oder Sie haben von Einigkeit ein völlig anderes Bild als ich. Ich bin das ganze Jahr viel in Deutschland unterwegs. Ich kenne unzählige Autobahnen in Deutschland und von den Autobahnen den Blick auf so manches Gewerbegebiet. Und immer wieder sehe ich Moscheen in den Gewerbegebieten, für die offensichtlich kein Platz in den Städten war. Und jedesmal denke ich mir dann: „Hm, wenn wir Muslimen ab und zu das Gefühl geben würden, dass ihre Religion in Deutschland genauso respektiert wird, wie andere Religionen und sie nicht zwischen Poco-Domäne und Dänischem Bettenlager beten müssten – vielleicht würden sich manche von Ihnen dann ja noch ein bisschen mehr mit Deutschland verbunden fühlen.“ Denn ich bin mir ziemlich sicher: jeden Muslim, den wir an den Rand drängen, nehmen salafistische Gemeinden mit Handkuss.

Lieber Herr Seehofer, Sie sind jetzt Bundesminister. Sie sind nicht mehr der Trötenhansel aus dem drolligen Süden. Sie sind jetzt für 82 Millionen Deutsche zuständig und da gehören eben auch 5 Millionen Muslime dazu, ob Ihnen das passt oder nicht. Und ich weiß, in einem Superministerium für Inneres, Bau und Heimat kann man schnell mal den Überblick verlieren. Sie haben jetzt schließlich sehr viele neue Aufgaben. Umso wichtiger ist es vielleicht, Ihnen noch mal zu versichern: Keile zwischen Bevölkerungsgruppen treiben gehört nicht dazu.