Alimentierte Meckermänner

Ich habe gestern die Demonstrationen in Berlin live miterlebt und da wurde mir mal wieder bewusst: wir setzen diesem traurigen Zauber von rechts viel zu selten etwas Positives entgegen. Gerade mal 2000 Menschen aus ganz Deutschland konnte die AfD mobilisieren (und das trotz Bezahlung! Offensichtlich wollte niemand als „alimentierte Meckermänner“ beschimpft werden). Ihnen gegenüber standen mindestens 25.000 Gegendemonstranten. Und wenn man zum Beispiel durch die wild gemischte Menge der „Glänzenden Demo“ lief, konnte man gar nicht anders als zu denken: „Jou, das hier ist dann wohl die Mehrheit und nicht die traurigen Fähnchenschwenker da drüben, die sich hinter dunklen Sonnenbrillen verstecken und keine einzige Botschaft oder Vision haben, außer ‚irgendwas mit Islam und gegen Flüchtlinge‘“.

Es gibt einfach keinen Grund, sich von der AfD die Themen diktieren zu lassen. Es gibt auch keinen Grund, ihre Parolen leicht abgemildert nachzuplappern (hallo, FDP!) , sie leicht abgemildert und noch dazu sechs Monate später als alle anderen nachzuplappern (japp, SPD, du bist gemeint!) oder sich gleich komplett zur AfD-Parodie zu degradieren (CSU, merkste selbst, ne?). Ich würde mir auch wünschen, dass der ein oder andere Talkshowredakteur öfter mal sagen würde: „Leute, wie wär’s: wir nehmen mal ein wirklich relevantes Thema, und keines, zu dem Alice Weidel schon giftige Facebook-Bildchen im Anschlag hat!?“ 

Hier mal nur drei Vorschläge, was man mit der wertvollen Zeit anfangen könnte, die wir im Moment alle darauf verschwenden, vor der AfD Angst zu haben:

1. Man könnte eine echte Vision für die Zukunft der EU entwickeln. Ist ja nicht so, dass es nicht drängen würde: In Österreich regieren mittlerweile Rechtspopulisten mit. Ungarn hat keinen Bock mehr auf „liberale Demokratie“. Italien bekommt keine Regierung hin. Und in Frankreich fleht ein Staatspräsident geradezu darum, mit ihm gemeinsam die EU zu retten. Und Deutschland so? „Juhu, wir schaffen die schwarze Null!“ Tja. Glückwunsch. Aber wenn uns die ganze EU, die vielleicht wichtigste  Friedensleistung des 20. und 21. Jahrhunderts, mal um die Ohren fliegt, werden uns Fleißbildchen von der Europäischen Zentralbank wahrscheinlich am wenigsten helfen.

2. Man könnte mal versuchen herauszufinden, warum sich so viele Menschen in Deutschland nicht ernstgenommen und abgehängt fühlen. Kann mir doch keiner erzählen, dass jemand freiwillig diesen humorbefreiten blaubraunen Haufen wählt. Das tut man nur, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt oder Angst hat. Und dafür gibt es tatsächlich auch ein paar Gründe. Aber, sorry Freunde der einfachen Lösungen: die Flüchtlinge sind’s nicht. Vielleicht könnten eher Reportagen wie „Ungleichland“ da ein paar gute Hinweise geben. Oder der Frontal21 Bericht neulich, der aufzeigte wie viele, Verzeihung: wie absurd wenige Ostdeutsche in Führungspositionen zu finden sind. Wer mehr Gerechtigkeit schafft, gibt den Leuten Sicherheit und entzieht Populisten den Nährboden. Ich behaupte nicht, dass das einfach ist. Aber mühsamer als noch öfter Alexander Gauland in Talkshows zuhören zu müssen, kann es auch nicht sein.

3. Bildung. Bildung, Bildung, Bildung. Das ist jetzt vielleicht nicht besonders differenziert, aber ich bin fest überzeugt: jeder Cent, der in Bildung investiert wird, ist pures Demokratie-Gold. Bildung macht Leute eigenständig. Bildung kann Ungleichheiten beseitigen. Bildung hilft bei Integration und gegen religiösen Fanatismus. Egal was das Problem ist – It‘s the education, stupid!

So. Und wem das alles zu politisch ist, der kann auch einfach ein paar Mandalas ausmalen. Das bringt das Land zwar nicht zwingend weiter – aber das macht die AfD ja auch nicht.