Der Elefant im Handyladen

Folgender Vorschlag für Seelenheil und Weltfrieden: Wer auch immer Senioren ein Handy schenkt oder verkauft, muss ihnen auch erklären, wie’s funktioniert. Irgendwie hat sich da in den letzten Jahren nämlich was verschoben: Wenn vor zehn Jahren im Kino oder Restaurant ein Handy geklingelt hat, war’s garantiert ein Kevin oder eine Soraya-Chantal. Wenn heute ein Handy an unpassenden Orten klingelt, ist es fast immer ein Hartmut oder eine Annemie. 

„Na und?“, könnte man meinen, „macht ja keinen Unterschied!“ Macht es aber leider doch, denn: Senioren haben die schlimmsten Klingeltöne der Welt. Immer. Im Zweifel den, der voreingestellt war, nur halt zehnmal so laut. Dann sitzt man nichtsahnend im Restaurant, nibbelt an der Oliventapenade und plötzlich klingt’s, als würde eine Herde kenianischer Elefanten durchs Lokal getrieben, die auf der Flucht vor Wilderern ein Mozartmenuett trompeten. Da kann einem schon mal das Grissini in der Hand zerbröseln.

Um das gleich vorauszuschicken: Die Senioren trifft keine Schuld. Die meisten von ihnen wollten schließlich nie ein Handy. Dann aber kamen ihre Kinder, sagten: „Mama, Papa, wir haben euch so wahnsinnig lieb und wollen deshalb, dass Ihr immer erreichbar seid. Darum schenken wir euch dieses unfassbar fisselige Teil, das Ihr garantiert nicht bedienen könnt, das euch in den unpassendsten Momenten aufschreckt und euch jeden Tag aufs Neue demonstriert, wie eure Sehkraft nachlässt. Na, freut Ihr euch?“

Nicht sinnvoll, aber sozialverträglich

Manche Senioren nehmen das Handy dann, sagen freundlich „Dankeschön“ und legen es zuhause neben das Festnetztelefon. Das macht zwar keinen Sinn, stört aber auch niemanden. Andere nehmen die Geräte zwar mit, lassen sie aber immer aus. Auch nicht sinnvoll, aber in Sachen Weltfrieden tiptop. Der Großteil packt das Handy aber leider in Hand- und Jackentaschen und trägt ab dann eine tickende Zeitbombe mit sich herum: laut, aufdringlich und vor allem unkontrollierbar – so ein Seniorenhandy ist quasi die Claudia Roth unter den Elektrogeräten.

Wenn das Handy dann in Kirche/Kino/Konzert klingelt, reagieren Oma und Opa übrigens sehr unterschiedlich. Frauen erschrecken meistens fürchterlich, kruschen hektisch in ihrer Handtasche, ziehen das Gerät irgendwann heraus, halten es dem nächstbesten Sitznachbarn mit einem mitleiderregnden Blick entgegen und jammern sowas wie: „Ich hab’s erst seit gestern!“
Männer sind da deutlich gelassener. Bei meiner letzten Zugfahrt saß neben mir ein tiefenentspannter Hartmut, dessen Handy mehrmals bestens hörbar klingelte (Bach hat übrigens auch sehr schöne Menuette komponiert).
Irgendwann fragte ich:
„Äh… Wollen Sie nicht rangehen?“
„Nö.“
„Aber – stört Sie das nicht?“
Er drehte sich zu mir, schaute mich lange an und sagte dann: „Guter Mann, ich hab vier Kinder großgezogen, ein Haus an der A7 gebaut und 40 Jahre lang bei der Deutschen Post am Schalter gearbeitet. Wenn’s irgendwas gibt, was ich gelernt habe, dann isses: Ignorieren.“ 

Bitte ausschneiden und mitnehmen 

Wenn sich die oben angeregte Erklärungspflicht übrigens nicht durchsetzt, bin ich dafür, dass sich alle Menschen ab 60 folgende Sätze ausdrucken, ausschneiden und im Bedarfsfall dem Handyschenker in die Hand drücken:
„Liebe/r/s Sohn/Tochter/Enkelkind.
Tausend Dank, total lieb, aber ich möchte kein Handy. 
Du kannst das nicht wissen, aber das einzig Geile am Älterwerden ist, dass man nicht mehr rund um die Uhr für jeden Himbeertoni erreichbar sein muss.
Bussi und Tschüß,
Mama/Papa/Oma/Opa (Zutreffendes bitte ankreuzen)

P.S.: Dass ich Dein Geschenk nicht annehme, heißt nicht, dass ich gar kein Geschenk will. Wein/Schnaps/Die Sammlerbox „Schwarzwaldklinik“ wird immer gern genommen.“