Ein Weckruf nach Hanau

Es gibt also rechtsextremen Terror in Deutschland. Menschen mit anderen Hautfarben und Religionen haben Angst vor Gewalt und es macht mich wahnsinnig, dass wir so eine Situation in Deutschland (wieder) erleben müssen. Jeder von uns ist aufgerufen, etwas dagegen zu tun und im Moment gibt es viele Aufrufe dazu, ich möchte da aber mal einen speziellen Appell aussprechen: und zwar an alle Menschen aus der LGBTQ-Community.

Es macht mich bekloppt, wenn ich mitbekomme, dass Schwule und Lesben aus Politik und öffentlichem Leben, aber auch aus dem Bekanntenkreis offen mit rechtem Gedankengut liebäugeln – was leider immer wieder und immer öfter passiert. Nicht falsch verstehen: Niemand muss links sein oder grün wählen, nur weil er/sie homosexuell ist. Es gibt und gab genügend „konservative“ Schwule, die es in den letzten Jahrzehnten immerhin geschafft haben, zumindest Teile der CDU beim Thema LGBTQ-Politik zu öffnen und damit einen wichtigen Beitrag geleistet haben. Aber wenn du als homosexueller Mensch ernsthaft mit der AfD o.ä. sympathisierst, dann bist du kein „besorgter Schwuler“ und keine „asylkritische Lesbe“, sondern dann bist du einfach ein schlecht informierter und kurzsichtiger Depp. Ja, ich weiß, es gibt eine „Interessengemeinschaft Schwule in der AfD“ – aber ich kann ja nichts dafür, wenn manche Menschen einfach Augen und Ohren und Hirn dicht machen. „Schwule in der AfD“ – genauso gut könnte es eine „Interessengemeinschaft Schweine in der Metzgers-Innung“ geben! Bitte, lies dir mal die Parteiprogramme rechter Parteien durch. Da wirst du sehr schnell merken: Wenn du nicht reich, weiß, gesund, männlich und hetero bist, hast du von denen absolut gar nichts zu erwarten. Und frag dich mal, wieviele Menschen in Deutschland all diese Kriterien erfüllen. Ich nicht – und Millionen anderer auch nicht.

Ich weiß auch: „Alice Weidel ist doch auch lesbisch!“ Das heißt nur leider gar nix. Außer dass Frau Weidel sich selbst schon ganz schön hassen muss und offensichtlich weder Scham noch Anstand kennt. Ist ja schön für sie, wenn sie sich da was vormachen kann, ich kann es nicht: Frau Weidel ist die erste, die Björn Höcke und seine braunen Kumpels absägen werden, wenn Höcke, wie er’s selbst ausdrückt, „mal eine wichtige Person in Deutschland wird“. Alice Weidel hat den Vorteil, dass sie sich dann wieder schön in die Schweiz absetzen könnte, während wir hier die Politik ausbaden müssen, für die sie sich zur willigen Helferin hat machen lassen. Da hilft auch Weidels Gefasel von der AfD als „letzte Schutzmacht der Schwulen und Lesben“ nichts. Dieser braune Haufen als Schutzmacht der Schwulen und Lesben – dass ich nicht lache! Ganz im Ernst: Ich lasse mich lieber von Schwulenhassern verprügeln als von Alice Weidel beschützen.

Natürlich gibt es viele Dinge, die man kritisch sehen kann. Gibt es Homophobie unter Muslimen? Mit Sicherheit. Gibt es Kriminalität unter Flüchtlingen? Auch das. So wie es eben in jeder Gruppe Menschen Arschlöcher und Kriminelle gibt. Dagegen muss man angehen, aber eben mit den Mitteln des Rechtsstaats und der Zivilgesellschaft und nicht mit Hass und Hetze und Gewalt. Deswegen meine Bitte an alle, und heute besonders an Schwule und Lesben: Stellt euch vor eure muslimischen Nachbarn. Schützt eure jüdischen Freunde. Widersprecht, wenn sich Leute in eurem Bekanntenkreis abfällig über Menschen mit anderen Hautfarben oder Migrationshintergrund äußern. Vor nichts haben Nazis mehr Angst, als dass sich Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung, Interessen und Glauben zusammenschließen und zusammenhalten, weil dann ihre durchschaubare „Divide and Conquer“-Strategie nicht aufgeht. Es gibt keine „halboffene“ Gesellschaft, in der manche Minderheiten akzeptiert sind und andere verfolgt werden. Und ich möchte niemals davon abhängig sein, dass Rechtsextreme mich „dulden“ oder „akzeptieren“ – man kann diesen Leuten nicht oft genug klar machen: „Was Ihr von uns haltet ist uns scheißegal! Ihr seid keine moralische Instanz, Ihr seid ein Fall für den Verfassungsschutz!“
Wir haben es in der Hand, wir alle können ein Klima des Hasses und damit letztlich rechten Terror verhindern – machen wir was draus!