Stolze deutsche Goldkettchenträger stechen dürre Plastikgabeln in dicke Langos-Fladen, ungarische Folklorechöre plärren die Rolling Stones-Coverband vom Nachbarcampingplatz nieder, die Wassertemperatur erinnert an Kinderplanschbecken, der Wein fließt in Strömen, die Sprache wird sämig und abends teilen Millionen Stechmücken die menschlichen Überreste der letzten Strandlieger unter sich auf: Willkommen am Balaton.
Nach einem sehr kurzen Abstecher ins Burgenland (der Campingplatz dort war aufgrund eines streng geführten Regiments eher so eine Art „Betreutes Freiluft-Wohnen“) sind wir mittlerweile, nach 6000 konsequent im „Besoffene Hummel“-Stil gefahrenen Kilometern im siebten Land unserer EuropaTour angekommen: Ungarn.
Wie sieht’s da also aus? Das Grenzgebiet zu Österreich besticht vor allem durch ein völlig unüberschaubares Angebot an Zahn-, Augen- und Schönheitskliniken. Der preisbewusste Österreicher hüpft offensichtlich nach einem hautstrapazierenden Leben zwischen sturmumtosten Alpengipfeln gerne mal kurz über die Grenze, um sich dort preisgünstig wieder straff zurren zu lassen.
Eurem Tipp folgend habe ich einen Stopp in Sopron gemacht, einem wirklich sehenswerten Städtchen, das momentan leider mit schwerem Baugerät zugestellt ist. Vermutlich wird der Ort umgepflügt: Mehr Platz für Zahn-Augen-Botox-Kliniken! Immerhin habe ich an der Soproner Ziegenkirche meine absolute Lieblingsskulptur entdeckt: die Facepalm-Putte.
Sopron gilt übrigens als „stolzeste Stadt Ungarns“, da die Bewohner sich dort 1921 dagegen entschlossen haben, österreichisch zu werden. Dazu muss man vielleicht wissen, wie die Stadt auf deutsch heißt: „Ödenburg“.
Da wär ich vielleicht auch lieber bei „Sopron“ geblieben.
Zum Balaton wurde schon genug geschrieben, was ich aber erst gestern herausgefunden habe: man kann hier ganz wunderbar Fahrrad fahren. Zum Beispiel von Keszthely nach Heviz, an Weinbergen vorbei bis zum Kis-Balathon, dann durch Vogelschutzgebiete und Naturreservate zurück. Das Ganze auf feinsten Fahrradwegen, wo höchstens mal ein Fasan aus dem Gebüsch platzt, dir ein Storch über den Kopf fliegt und ein paar ratlose Büffel fragend in deine Richtung käuen. Auch das ist der Balaton. Und ein Schokoriegel. Mehr Gründe für einen Urlaub hier braucht doch eigentlich kein Mensch.
Das größte Spektakel war für mich aber der Thermalsee in Heviz: Ein seerosenbedeckter Teich, in dem ganzjährig Hunderte meist ältere Semester in zum Schwimmreifen gekränzten Poolnudeln treiben. Alles ist bedächtig und langsam und vor allem sehr sehr warm. Da kann man sich auch als von der Rente noch etwas entfernterer Mensch gut ein halbes Stündchen treiben lassen, schaut auf die Seerosen und ab und zu weht einem eine Schwefel-Brise vom Thermalwasser in die Nase. Smells like not so teen spirit. Die Sonne brennt auf die Glatze und spiegelt sich im See, so dass man beim Blick nach unten fast zwangsläufig das etwas endzeitliche Gefühl hat, ins Licht zu gehen.
Bleibt nur ein Wunsch: wenn ich eines Tages über den Jordan treibe, dann hoffentlich etwas würdevoller als in einer zum Schwimmreifen gekränzten Poolnudel.