EuropaTour Teil 18: Frankreich

In meiner Familie ist es so eine Art Running Gag: jedes Jahr erzählen mein Mann und ich, dass wir dieses Mal auf jeden Fall nach Skandinavien, eventuell auch Irland, wenn nicht sogar Island fahren, aber dann schauen wir auf die Wetterkarte und am Ende bekommen doch alle wieder Postkarten aus Montpellier, St-Jean-de-Luz oder Les-Saintes-Maries-de-la-Mer.

Ich weiß, Frankreich und die Franzosen haben bei vielen Deutschen ein Image, das höchstens noch von Dieselfahrzeugen unterboten wird – ich habe aber noch nie verstanden, warum. Vielleicht habe ich deshalb so viel Sympathie für Frankreich, weil das Land sich ein Schicksal mit der Stand-up Comedy teilt: wer’s doof findet, hat meistens noch nicht viel davon gesehen. Deswegen jetzt, Achtung, Italiener, Engländer, Deutsche, alle, holt die Beruhigungstropfen: Ich halte Frankreich für das landschaftlich abwechslungsreichste Land Europas, Franzosen haben den besten Wein und das beste Essen (na gut, Italiener, es gibt zwei erste Plätze!), sie sind die höflichsten (und übrigens auch hundefreundlichsten) Menschen, die ich kenne – wenn sie jetzt noch gute Filme machen würden, würde ich mich glatt einbürgern lassen.
(Ach, ich wüsste so gerne, wer an welcher Stelle des letzten Satzes Schnappatmung bekommen hat!)

Ich mag auch die Lebenseinstellung der Franzosen, diese immer wieder aufblitzende grundgesunde Scheißegaligkeit. Autos? Überbewertet. Geld für Wohnungseinrichtung? Kann man besser in Essen investieren. Und prinzipiell gilt: jedes Schild, jedes Verbot, jede in Deutschland unumstößliche Regel ist hier eher so eine Art „Verhaltensempfehlung“. Beispiel: Ich ging gestern mit einem französischen Freund zu einem provençalischen Waldsee. 50 Meter davor: ein riesiges „Baignade interdite!“-Schild.
Ich: „Na ja, ich bin Deutscher, ich hab das nicht verstanden.“
Er: „Und ich bin Franzose. Ich mache aus Prinzip das Gegenteil.“
Wir hatten einen spitzen Nachmittag.

„Ja aber die Sprache! Die sprechen doch alle nur Französisch!“ Nööööt, Klischeebuzzer-Alarm! Das mag mal gestimmt haben – vor ungefähr 20 Jahren. Als ich mit 15 zum ersten Mal nach Frankreich ging, war die Einstellung dort tatsächlich: „Entweder du sprichst unsere Sprache, oder du verhungerst halt! Quel dommage!“
Seitdem ist viel passiert. Also wirklich: SEHR viel. Ich werde ständig auf Englisch begrüßt. Na gut: was Franzosen halt so „Englisch“ nennen. (Falls ihr mal mit Franzosen über Humor sprecht, seid nicht so begriffsstutzig wie ich: „Moo Tipitonn“ bedeutet “Monty Python”!)

Den Vogel abgeschossen hat jetzt aber der Besitzer eines Campingplatzes in Salon-de-Provence. Ein Südfranzose durch und durch; er hatte sich gerade die erste Flasche Rotwein aufgemacht und den Grill angeworfen, und als ich auf seinen Platz rollte, begrüßte er mich erst auf Französisch, dann auf Englisch, Niederländisch und schließlich Deutsch. Wenn sein Hund mir „Alter, was geht?“ entgegen gerufen hätte, hätte ich kaum blöder geschaut.

Als ich ihn fragte, warum er Deutsch spreche, kam folgende Antwort (Taschentücher bereitlegen!): „Weil ich an die europäische Idee glaube. Außerdem war mein Opa in Verdun. Mein Onkel ist im zweiten Weltkrieg gefallen. Und ich möchte eine Brücke zwischen Franzosen und Deutschen sein, damit so eine Scheiße nicht noch mal passiert.“
Ich hab ja gesagt, holt die Taschentücher!

Dann meinte er noch: „Und außerdem sagt eure Sprache viel über euch aus. Da ihr das Verb immer ans Ende des Satzes setzt, muss man bis zum Schluss zuhören, um den Satz zu verstehen. Bei uns kommt das Verb immer nach dem Subjekt. Deshalb hört ihr so aufmerksam zu und die Franzosen nicht.“ Äh… ja… na ja… sehr schmeichelhaft, aber da hat er mich irgendwie verloren.

P.S.: nächster Halt: Spanien. Danke für all Eure Tipps