Mann, Mann, Mann, Himalayasalz, hab ich den Kaffee auf! Ich hab mich nämlich mal ein bisschen mit dir beschäftigt und wenn man so liest, was du eigentlich bist und was die Leute in dich hinein geheimsen und wieviel sie dann auch noch bereit sind, für dich zu zahlen – also, da könnte man es dem lieben Gott wirklich nicht verübeln, wenn er die Welt mal wie so eine Zaubertafel schütteln und dabei sagen würde: „Nee, das mit den Menschen, das war doch nix. Ich fang noch mal von vorne an.“
Ich dachte ja immer: Salz ist Salz. Schon den Hype um „Fleur de Sel“ hielt ich für völlig überzogen. Das Zeug steht mittlerweile in jedem besseren Restaurant und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem derartigen Statussymbol, dass Starköche zärtlich ihr sous-vide gegartes Lammcarrée damit einstreicheln, die feinere Gesellschaft es sich gegenseitig aus ihrem Urlaub im „total verschlafenen Künstlerdorf auf Malle“ mitbringt und reichere Gemeinden wie Baden-Baden vermutlich selbst ihren Winterdienst mit Fleur de Sel bestreiten. Im Grunde ist es natürlich auch nur Salz und schmeckt nach Salz und ob man das jetzt in Körnchen- oder Flöckchen- oder Blümchenform zu sich nimmt, ist unserem Körper und sogar den Geschmacksnerven erfahrungsgemäß tutti kompletto bumsegal. Aber bitte, sieht halt schön aus und wenn jemand dafür mehr bezahlen will, als fürs Bad Reichenhaller Rieselgold, dann los.
Oh sphärische Koinzidenz
Aber du, Himalayasalz, du bist ja ne ganz andere Nummer. Du setzt nämlich voll und ganz auf die Esoterik-Karte. Auf Internetseiten, die dich bewerben, liest man ganz oft von „Schwingungen“ und „Frequenzmustern“ und „energetischem Reichtum“ und „Resonanz“ und „84 Elementen“ die, oh sphärische Koinzidenz!, genau den 84 Elementen entsprechen, aus denen unser Körper angeblich besteht. Ich könnte jetzt natürlich ein paar Studien oder wissenschaftlichen Untersuchungen zu all diesen steilen Eso-Thesen aufführen, Himalayasalz. Ich habe aber der Einfachheit beschlossen, mich auf die Kurzfassung zu beschränken. Achtung, räusper, räusper:
Es ist gequirlte Einhornkacke.
Auch du, Himalayasalz, bestehst, wie jedes andere Salz, zu mindestens 97 Prozent aus Natriumchlorid, der Rest sind ein paar Mineralien (mein Favorit übrigens: Gips! Haha, muss ich mir merken, wenn ich mal wieder vom Rad falle!) und deine schöne rosa Farbe entsteht durch Oxidation und ist damit nichts anderes als – Vorsicht, jetzt wird’s unromantisch – Rost! Man kann dich bedenkenlos essen, man kann’s aber auch lassen, du tust weder besonders weh noch besonders gut, du bist halt verdammt noch mal ein Salz und keine kristallgewordene Sphärenenergie, auch wenn der Schamballah-Jürgen und die Gundi „Weise vom Morgenstern“ aus der esoterischen Selbsterfahrungsgruppe „Mit Engeln sprechen, fühlen und kniffeln“ das vermutlich leugnen würden.
Einigen wir uns auf Kilometer?
Aber wenn man solchen Hardcore-Namens-Tänzern schon nicht mit trockener Chemie kommen kann, dann vielleicht mit etwas Einfacherem? Entfernungen, vielleicht? Meter, Kilometer und so, da können wir uns doch bestimmt alle drauf einigen, oder?
Denn einen kleinen Schönheitsfehler hast du, Himalaya-Salz, den selbst der überzeugteste Engelskniffler nicht leugnen kann: Du kommst gar nicht nicht aus dem Himalaya! In aller Regel stammst du nämlich aus einer ziemlich unromantischen Riesenmine im pakistanischen Salzgebirge, das rund 200 Kilometer vom Himalaya entfernt ist. Dich also Himalayasalz zu nennen, ist in etwa, wie wenn man in Bielefeld ein Schaf von der Weide klaut, und das dann als Lüneburger Heidschnucke verkauft. Oder vorm Edeka in Bamberg an der Hähnchenbude einen Gockel ersteht um ihn als original Münchner Wiesenhendl weiter zu verscherbeln. Oder in Amsterdam ein Mon Chérie kauft und das dann als „Original Belgische Praline“…
Was, Himalayasalz? Ich kann aufhören, meinste? Interessiert den Jürgen und die Gundi nicht? Wer tausende von Euro für ein Wochenendseminar zur Ausbildung als „Heiler von Atlantis“ oder fürs „Gemeinschaftliche Chakren-Freirülpsen“ ausgibt, dem tun 25 Euro für ein Kilo pakistanischen Koch-Rost auch nicht mehr weh?
Hm. Haste wahrscheinlich recht. Na gut, dann eben doch Plan B: Lieber Gott, bitte einmal kräftig schütteln.
(Aus: „Soja-Steak an Vollmondwasser – Das Handbuch der überschätzten Lebensmittel“. Ab Herbst im Handel. Hier vorbestellen!)