Ich sag’s lieber gleich: Ich habe keine Ahnung von Berliner Kommunalpolitik. Ich wohne in Köln, wenn ich mich über Politik aufregen will, muss ich nicht Richtung Hauptstadt schauen. Wenn man aber momentan so als Unbeteiligter durch Berlin bummelt und all die Wahlplakate sieht, kann man schon ein seltsames Bild von dieser Stadt bekommen:
Die Kandidaten der Piratenpartei zum Beispiel sehen alle aus, als hätte sich die Bienchengruppe der Kindertagesstätte „Wilde Räuber“ mal einen Tag als Erwachsene verkleidet. Die Grünen fordern immer dasselbe: mehr Radfahrer und mehr Kinder. Vielleicht sollte denen mal jemand sagen, dass „Rennradsattel“ und „Zeugungsfähigkeit“ nicht so gut zusammenpassen! Die CDU dagegen setzt voll auf die Gesichter ihrer Kandidaten, bei denen man leider immer darauf wartet, dass im Hintergrund so Jurassic-Park-mäßig ein Banner mit der Aufschrift „When Dinosaurs ruled the earth“ herunterschwebt. Und die AfD wirbt mit dem Slogan: „Berlin braucht mehr Respekt“, was bei der AfD aber nur bedeutet: „Berlin braucht mehr Respekt vor allen, die genauso deutsch sind wie wir, genauso aussehen wie wir, denselben Glauben haben wie wir und dieselbe sexuelle Orientierung wie wir. Alle anderen muss man nicht respektieren, machen wir ja auch nicht.“ Das hat aber scheinbar nicht mehr aufs Plakat gepasst.
Und dann ist da noch Michael Müller. Ich kenne Herrn Müller nicht, ich weiß nicht, ob er ein guter Bürgermeister ist, aber eines kann ich nach einer Woche intensiven Michael-Müller-Plakate-Studiums sagen: Glücklich sieht der nicht aus. Gut, wie glücklich kann man sein, wenn man 13 Jahre Wowereit aufräumen und sich mit einem Flughafen rumärgern muss, der in einem Direktvergleich „Betriebstauglichkeit“ vermutlich immer noch vom Tempelhofer Feld abgehängt würde? Aber trotzdem: diese Augen! Ein Blick, den man sonst nur von Männern kennt, die von ihren Frauen vorm Schuhladen abgestellt wurden und jetzt darauf warten, wieder abgeholt zu werden. Oder aus diesen reißerischen vice-Reportagen: „Michael M. – Ins Rathaus gezwungen“, oder so. Man weiß nicht, womit man Herrn Müller den größeren Gefallen tut: indem man ihn wählt, oder doch lieber von der ganzen Qual erlöst? Ich als Nicht-Berliner kann natürlich keines von beidem. Aber kann mir vielleicht mal jemand Herrn Müllers Privatadresse mitteilen? Ich würde ihm gerne eine Tafel Trost-Schokolade schicken und eine CD mit dem Udo Jürgens-Klassiker: „Aber immer, immer wieder geht die Sonne auf“.
Vielleicht hilft’s ja.
(erschienen in: urbanite Berlin)