Wichtige Mitteilung für ÖPNV-Nutzer

Nachdem ich jetzt vier Wochen durch Argentinien gereist bin, mit Busfahrten von 5 Minuten bis 25 Stunden Länge, habe ich für alle, die sich schon mal über die Unübersichtlichkeit und Unzuverlässigkeit des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland beschwert haben, folgende wichtige Botschaft: „Hahaha, heult doch, Ihr Pussys!“

Ich fasse mal zusammen, wie das hier läuft: Busse haben in Argentinien immer zwei Nummern, eine kurze und eine längere, also zum Beispiel „5/280“. Die längere besagt, wohin der Bus fährt, die kürzere besagt… irgendwas anderes. Ich habe bis heute nicht herausgefunden was, tippe mittlerweile auf „Lieblingszahl des Busfahrers“, aber allein die Annahme, dass diese Zahl irgendwas bedeuten muss, ist vermutlich schon so ein Denkfehler von uns peniblen mitteleuropäischen Buchsbaumhecken-Stutzern.

Anfängerfehler

Jetzt könnte man meinen: „Nicht schlimm, dann merke ich mir eben nur die längere Nummer“, das wäre aber ein totaler Anfängerfehler, denn an Bushaltestellen steht, wenn überhaupt, nur die kürzere. Warum? Weil der Busfahrer schließlich weiß, wo er hinfährt, daran muss er nicht tausendmal am Tag erinnert werden, seine Lieblingszahl dagegen liest er immer wieder gerne.

Ah, Stichwort „Bushaltestellen“: Das kann alles sein, zwischen einer überdachten Sitzbank und einem Hagebuttenstrauch. Als Faustregel gilt: Wo mehr als zwei Menschen untätig rumsitzen, ist wahrscheinlich eine Bushaltestelle. Die Betonung liegt auf „wahrscheinlich“, denn ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich in den letzten Wochen auf der Suche nach einer Bushaltestelle versehentlich nichtsahnenden Menschen bei ihrer Mittagspause Gesellschaft geleistet habe.

Haltestellenschilder gibt’s nämlich keine, Haltestellennamen übrigens auch nicht, weshalb es in der Touristeninformation oft zu Unterhaltungen wie dieser kommt:
„Wenn Sie zur Seilbahn wollen, steigen Sie einfach bei Kilometer 17 aus.“
„Super. Kurze Frage: woher weiß ich, wo Kilometer 17 ist?“
„Na ja, Sie fahren 16 Kilometer und dann isses halt noch einer“.

Bisschen Engagement, bitte!

Man sollte sich aber auch nicht zu viele Gedanken über das Aussteigen machen, denn wahrscheinlich darf man noch nicht mal in den Bus einsteigen, da man kein Ticket hat. „Wieso, das kaufe ich doch im Bus!“, ruft da der Mann an der Buchsbaumhecke, aber, Bäm!, schon wieder falsch gedacht! Tickets kann man nämlich eben nicht im Bus kaufen und vor allem nicht mit Bargeld, sondern nur mit einer Wertkarte, die man sich vorher an einem Kiosk in sieben Blocks Entfernung besorgt hat, ein bisschen Engagement kann man schließlich erwarten.

Man holt sich also diese Wertkarte und möchte dann auf den Fahrplan schauen, um zu erfahren, wann der nächste Bus kommt, aber, kleine Überraschung: den gibt’s nicht. Also: den Bus schon, den Fahrplan nicht. Wie soll man den auch festmachen, an einem Hagebuttenstrauch? Der Bus kommt, wenn er kommt, und wem das eine zu unpräzise Angabe ist, der soll halt bitte Urlaub in der Schweiz machen.

Für alle anderen gilt: nicht entmutigen lassen, irgendwann sitzt man dann im richtigen Bus. Man sitzt und lächelt und versucht sich zu entspannen, was nicht ganz einfach ist, weil man ja abschätzen muss, wo Kilometer 17 ist. Wenn man das nicht schafft, fragt man einen Mitreisenden, die sind hier nämlich durch die Bank extrem hilfreich und sagen dann vermutlich mit einem freundlichen Lächeln: „Das war vor ziemlich genau 5 Kilometern!“

Es funktioniert

So. Aber jetzt kommt das, was uns mitteleuropäische Nahverkehrs-Schimpfer und Verspätungs-Heulsusen so richtig in den Wahnsinn treibt: Das Ganze funktioniert. Menschen in Argentinien fahren Bus. Und kommen an. Nicht immer am vorgesehenen Tag und nicht immer da, wo sie hinwollen, aber sie kommen an. Wenn Ihnen das trotzdem zu abenteuerlich ist, legen Sie jetzt bitte mal die Heckenschere weg, kaufen einen großen Blumenstrauß, steigen in den nächstbesten deutschen Bus, drücken dem Fahrer den Strauß in die Hand, umarmen ihn ganz doll und flüstern ihm dabei leise „Ich hab dir jahrelang Unrecht getan!“ ins Ohr. Und dann kaufen Sie direkt eine 4er Streifenkarte. Im Bus. Mit Bargeld. Einfach nur, weil Sie’s können.